Straßentheater

Theater ANU sieht sich in der Tradition des Straßentheaters. Die Compagnie gehört in Deutschland zu den wichtigsten Vertretern des Genres und hat sich doch weit darüber hinaus entwickelt. Aktuelle Inszenierungen finden sie hier.

Die Vorläufer

Theater im Öffentlichen Raum ist keine neue Idee. Es ist sogar die Basis für unser heutiges abendländisches Theaterverständnis. Schon in der griechischen Antike wurden für die Polis Theaterspiele unter freiem Himmel gezeigt. Im Athen des fünften Jahrhunderts vor Christus wurden zu Ehren des Gottes Dionysos jährlich die städtischen Dionysien gefeiert. Der Besuch der Theateraufführungen war politisches Recht und religiös-moralische Pflicht des Bürgers. An den Großen Dionysien strömten 14.000 bis 17.000 Zuschauer in das Freilichttheater am Fuße der Akropolis. Als Vorläufer des Straßentheaters sind  auch die Karnevalstradition mit ihren Umzügen, das Stegreiftheater der Commedia dell`Arte und das Wandertheater zu nennen, wie es sich in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert als Gegenstück zu den Hoftheatern der Fürsten herausgebildet hat . Im 18. Jahrhundert verlor diese Form des Volkstheaters allmählich an Bedeutung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts finden die Theatervorstellungen mehr und mehr in feststehenden Häusern statt.
Anfang des 20ten Jahrhunderts war es unter anderem Max Reinhardt, der den öffentlichen Raum für sich entdeckte. Max Reinhardt beschäftigte sich nicht nur mit der Erprobung neuer Aufführungsorte, er realisierte diese auch mit erstaunlicher Risikofreude. Er war Theaterpraktiker, Theaterunternehmer, Erfinder von Alternativen zum Guckkastenprinzip. Er inszenierte den Sommernachtstraum in einem Wald, verlegte den Kaufmann von Venedig an die Originalschauplätze und begründete 1920 mit dem Jedermann auf dem Salzburger Domplatz eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte. Mit seinen Arena- Inszenierungen  und der Idee eines „Theater der 5000” strebte Max Reinhardt, wie er selbst einmal erklärte, danach‚ die Dimensionen wieder zu schaffen, mit denen die großen Wirkungen des antiken Theaters so eng verknüpft waren und das Theater mit billigen Eintrittspreisen einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen.

In den 60er und 70er Jahren waren es besonders politische Theateraktionen, die sich den Öffentlichen Raum eroberten.The Living Theatre aus New York oder der brasilianische Theatermacher Augusto Boal mit seinem Theater der Unterdrückten sind hier zu nennen. Durch die Studentenbewegung der 60er Jahre und der damit verbundenen Politisierung der Gesellschaft, verändert sich das Theater und die anderen künstlerischen Disziplinen. Die traditionellen Grenzen zwischen den Genres verschwinden.

Straßentheater

Ab den 80er Jahren entstehen in immer mehr deutschen Städten kulturelle Sommerprogramme und Festivals mit Darbietungen im Bereich des Straßentheaters. Zuerst sind es vor allem Gruppen aus Südeuropa, die in Deutschland auftreten. Fura del Baus aus Spanien, Teatro Nucleo aus Italien, später Jo Bithume aus Frankreich oder Karls Kühne Gassenschau aus der Schweiz. Sie faszinieren ihr Publikum vor allem mit spektakulären und raumgreifenden Inszenierungen. Feuerwerk, Artistik und riesige Aufbauten prägen das Bild. Sie inspirieren auch viele deutsche Gruppen. Ende der 80er Jahre gewinnt das Jonglieren immer mehr Anhänger, die ihre Darbietungen meist auch auf “der Straße” zeigen .

Fast überall finden heute die Veranstaltungen bei freiem Eintritt statt. Die freie Zugänglichkeit für alle Bürger einer Stadt zu Theater ist in Deutschland einzigartig. Heute ist das Theater im Öffentlichen Raum ein Teil des zeitgenössischen Theaters geworden. Es erreicht breite Bevölkerungsgruppen, alle Generationen wie Bildungsschichten finden sich im Publikum. In Deutschland gibt es derzeit über 30 Straßentheaterfestivals und diverse Sommerprogramme mit dem Schwerpunkt Straßentheater/Theater im Öffentlichen Raum.

Theater im Öffentlichen Raum

2005 wurde der  Bundesverband für Theater im Öffentlichen Raum e.V. gegründet. Er  hat es sich zum Ziel gesetzt  Theater im Öffentlichen Raum in Deutschland „als eigenständige Kulturform und als selbstständiges Kulturgenre zu etablieren, zu fördern und zu vernetzen”. Der Begriff  „Theater im Öffentlichen Raum” wurde bewusst gewählt, um theatrale Aspekte des Genres zu betonen und eine Abgrenzung zu rein zirzensischen Darbietungen bzw. Comedy-Shows zu erreichen.

Aktuelle Tendenzen

Der hohe Schuldenstand deutscher Kommunen führt seit einigen Jahren zu erheblichen Einschränkungen bei kulturellen Veranstaltungen. Während anfänglich Budgets vor allem nicht mehr stiegen, haben mittlerweile Kürzungen und Streichungen finanzieller Mittel für die Weiterentwicklung des Straßentheaters erhebliche Auswirkungen. Festivals und Sommerprogramme werden gekürzt oder gestrichen. Durch die Querversetzungspolitik in Kommunen werden seit einigen Jahren offene Stellen in Kulturämtern nicht selten mit fachfremdem Personal besetzt. Die Kultur verliert dadurch nicht selten kompetente Ansprechpartner. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben aller Beteiligten sein, neue Wege zu finden, wie die Foren der Genre erhalten und gestärkt werden können.

Liste deutscher Straßentheaterfestivals

Internationales Straßentheater Festival in Holzminden; Europäisches Straßentheaterfestival in Detmold; Tête-à-tête – Internationales Straßentheaterfestival in Rastatt; Welttheater der Straße in Schwerte; Gassensensationen – Internationales Straßentheater Festival  in Heppenheim; La Strada – Internationales Straßenzirkusfestival Bremen;Internationales Straßentheaterfestival in Ludwigshafen; Via Thea – Internationales Straßentheaterfestival in Görlitz;Sommerwerft – Theaterfestival am Fluss, Frankfurt; Just for Fun, Darmstadt; Internationales Musik- und Theaterfestival in Pforzheim; Naumburger Straßentheatertage; Straßentheaterfestival Idar Oberstein, Da Capo – Straßentheaterfestival in Kronberg; Wandertheaterfestival Radebeul